Podiumsdialog

Dr. Romy Jaster · Prof. Dr. Jürgen Werner

Dr. Romy Jaster ist Philosophin an der Humboldt-Universtität zu Berlin und Argumentationstrainerin. Sie hat mit einer mehrfach ausgezeichneten Arbeit über Fähigkeiten promoviert und befasst sich seither vor allem mit Fake News, Meinungsverschiedenheiten und Postfaktizität. Ihr Buch über Fake News wird 2019 bei Reclam erscheinen. Als Mitgründerin des Think Tanks "Forum für Streitkultur" setzt sie sich theoretisch und praktisch mit Möglichkeiten zur Verbesserung des öffentlichen Diskurses auseinander.

Prof. Dr. Jürgen Werner war der erste Philosoph unter den Sportreportern, lange bevor es salonfähig wurde, über Fußball zu theoretisieren: Im Jahr 1984 trat er in die Redaktion der FAZ ein und wechselte später zum FAZ-Magazin. Heute lehrt er an der Universität Witten/Herdecke Philosophie und Rhetorik. Er arbeitet als Manager- und Strategieberater und schreibt Bücher wie das über die Sieben Todsünden oder das Alphabet des Lebens „Tagesrationen“.

Nie wird eine Haltung deutlicher als im strittigen Dialog. Das Gespräch, das den Konflikt nicht scheut, in dem die Gegenrede nicht als Aufsässigkeit aus-gelegt wird, verlangt, dass man Farbe bekennt. Nur wenn klar ist, wo die Unterschiedslinie zwischen den Positionen läuft, lässt sich eine Auseinandersetzung sinnvoll führen. Sich zum Eigenen zu stellen, hilft dem Gegenüber bei seinem Bemühen, sich zu orientieren. Es erlaubt, belastbare Entscheidungen zu setzen, Perspektiven zu teilen, tragfähige Kompromisse zu formulieren.

Wo aus falscher Rücksicht oder schlicht Uneinigkeit mit sich nicht deutlich wird, was die jeweilige Sichtweise zur Sache ist, wo die wahren Motive verschwiegen werden oder man aus Furcht vor den Konsequenzen nicht aus der Deckung tritt, versiegt am Ende mit der Streitbarkeit das Gespräch. Der Dialog verlangt nicht nur, dass man sich an Regeln hält. Er fordert auch Haltungen, die im Ernstfall das Handeln regeln.

Wo sind die Menschen mit einer eigenen Überzeugung, die sie gegen den Widerstand einer Mehrheit vortragen, die sich leiten lassen von selbständigen Grundformen und Werthorizonten, auch wenn sie das mehr kostet als die Verwunderung der anderen? Haltungen können geschäftsschädigend sein, vor allem, wenn das Business auf virtuos opportunistische Persönlichkeiten setzt. Und doch, so notierte es schon vor einem halben Jahrhundert der amerikanische Soziologe David Riesman, verwirklichen die größten Chancen einer Gesellschaft jene, die er „innengeleitete Typen“ nannte. Was zeichnet eine Haltung aus, außer dass sie weiß, was sie keinesfalls tun wird?
Zum Abschluss des zweiten Konferenztages prüfen wir noch einmal die großen Worte, mit denen wir operieren, auf dass sie nicht unter der Hand zu Leerformeln degenerieren. Über Haltungen lässt sich nicht gut reden. Sie zeigen sich. Und dennoch setzen wir dabei auf Formen des Gesprächs.